Kleiner Tallit (Tallit katan)


Einige orthodoxe Juden tragen unter ihrer Alltagskleidung einen kleinen Tallit (Tallit katan). Ein Tallit katan unterscheidet sich vom herkömmlichen Tallit darin, dass er den ganzen Tag getragen wird und nicht nur zu bestimmten Gebeten. Ein Tallit katan besteht meist aus einem schlichten hellen, rechteckigen Baumwollstoff, der an den Seiten offen ist und wie ein Unterhemd getragen wird. An seinen vier Ecken sind Schaufäden (Zizijot) befestigt, deren Zweck demselben dient wie bei den Schaufäden des herkömmlichen Gebetsschals: Ihr Anblick soll den Träger an die Einhaltung der jüdischen Gebote erinnern (4. Buch Moses 15,39).

Das Tragen eines Tallit katan ist keine religiöse Pflicht, sondern ein Brauch. Mit dem Tragen eines Tallit katan zeigt ein frommer Jude, dass er das Leben als Gebet versteht und bemüht ist, alle religiösen Gebote einzuhalten.

Titel: Tallit katan
Datierung: 1. Hälfte 19. Jahrhundert
Material: Rohleinen
Maße: 69 x 20 cm
Urheber: unbekannt
Auftraggeber: unbekannt

Über vierzig kleine Tallitot (Pl. von Tallit) aus Leinen, Baumwolle und wiederverwerteten Bekleidungsstoffen, einige gehäkelt oder gestrickt befinden sich unter den Textilfunden. Dieses schlichte Ritualgewand besteht aus zwei L-förmigen vernähten Gegenstücken. An allen kleinen Tallitot der Genisa befinden sich keine Schaufäden mehr. Da eine Genisa sinngemäß die Ruhestätte für ausgediente jüdische Ritualobjekte ist, wird vermutet, dass dies in Anlehnung an den Beerdigungsritus erfolgte.  Ein Verstorbener wird in seinem Tallit beerdigt, bei dem zuvor die Schaufäden abgeschnitten werden, zum Zeichen dafür, dass er die Gebote nicht mehr erfüllen kann.

Weiterführende Literatur:
Linda Wiesner: Der Textilfund. In: Falk Wiesemann (Hrsg.): Zeugnisse jüdischen Lebens in Niederzissen. Genisa-Funde in der ehemaligen Synagoge. Kultur- und Heimatverein Niederzissen, Niederzissen 2012.