Misrachtafel


In Europa ist es Brauch in Synagogen und Betstuben nach Osten in Richtung Jerusalem zu beten, wo bis 70. n. d. Z. der Tempel als zentrales Heiligtum stand. Aus diesem Grund steht der Toraschrein auch in allen jüdischen Bethäusern an der Ostwand. Befinden sich einzelne Beter*innen oder eine Betergemeinschaft in einem Raum, in dem sich kein Toraschrein befindet, wird die Richtung gen Osten mittels einer sogenannten Misrachtafel angezeigt. Misrach heißt auf Hebräisch Osten. Die Tradition entstammt Daniel 6, 11. Künstlerisch gestaltete Misrachtafeln gibt es seit dem Mittelalter.

Titel: Misrachtafel
Datierung: wahrsch. 19. Jahrhundert
Material: Papier, gedruckt
Maße: 32,7 x 25,3 cm
Signatur: Lith. de Fr. Wentzel à Wissembourg
Urheber: Fr. Wentzel
Auftraggeber: unbekannt

Die reichhaltig ausgeschmückte Misrachtafel ist eines derwenigen künstlerisch gestalteten Druckwerke in der Genisa. Architektonische Elemente gliedern die Tafel. Die Abbildungen, die den hebräischen Schriftzug „Misrach“ im Zentrum des Blattes umrahmen, geben sowohl biblische Motive als auch Anspielungen auf den Jerusalemer Tempel wieder. Am oberen Bildrand ist die Bundeslade mit den Gebotstafeln zu erkennen.Darunter steht das Zitat „Wisse, vor wem du stehst“ (Sprüche der Väter 3,1). Unterhalb sind in dem Rundbogenfeld in Trümmern sitzende, trauernde Personen zu erkennen. Sie verkörpern den dazugehörigen Psalmvers „Vergäß ich dein, Jerusalem, versagte meine Rechte.“ (Psalm 137,4). Links und rechts davon befinden sich bekannte Szenen aus der Bibel, u. a. König Salomo. Dieser Druck scheint damals sehr beliebt gewesen zu sein, da er auch aus anderen Städten überliefert ist.

 Weiterführende Literatur:
Chaya Benjamin: Sacred Beauty. Treasures of Judaica and Jewish Ethnography. Jerusalem 2005.