Buchvorstellung

Buch gibt Auskunft über Funde in ehemaliger Synagoge

Vorstellung Zeugnisse jüdischen Lebens in Niederzissen – Staubige Arbeit geleistet

Hans-Willi Kempenich

Niederzissen. Als die Gemeinde Niederzissen vor drei Jahren die ehemalige Synagoge kaufte, ahnte noch niemand, welche bedeutsamen Zeugnisse jüdischen Lebens auf dem Dachboden des Gebäudes verborgen waren. Das änderte sich schlagartig, als die ersten Fundstücke unter einer zentimeterdicken Staubschicht hervorgeholt wurden. Inzwischen beschäftigt sich sogar die Wissenschaft intensiv mit den Relikten aus der Vergangenheit. Erste Erkenntnisse und Wertungen der Funde sind jetzt in einem Buch der Öffentlichkeit zugänglich. Am Sonntag, 4. November, wird ab 14 Uhr das knapp 100 Seiten umfassende Werk, das im Selbstverlag des Kultur- und Heimatvereins erscheint, in der ehemaligen Synagoge vorgestellt.

 „Zeugnisse jüdischen Lebens in Niederzissen. Genisafunde in der ehemaligen Synagoge“ heißt das von Professor Falk Wiesemann, Historiker der Universität Düsseldorf (Spezialgebiet jüdische Geschichte), herausgegebene Buch. Ihm zur Hand gingen mit Text- und Bildbeiträgen Professor Andreas Lehnhardt, Inhaber eines Lehrstuhls für Judaistik an der Uni Mainz, dessen Wissenschaftliche Mitarbeiterin Elisabeth Singer, Annette Weber, Professorin für jüdische Kunst in Heidelberg, sowie Linda Wiesner, die zurzeit ihre Doktorarbeit über die textilen Funde in Niederzissen schreibt.

Neben Ortsbürgermeister Richard Keuler sind auch Gisela Reichrath und Brunhilde Stürmer aus Niederzissen sowie Gerd Friedt aus München mit Textbeiträgen am Buch beteiligt. Sie alle sind bei der Vorstellung anwesend. Die Wissenschaftler werden in kurzen Ansprachen über ihre Tätigkeit berichten.

Dass die Aufarbeitung der Funde mit der ersten Publikation aber noch lange nicht beendet ist, macht der Ortsbürgermeister und Vorsitzende des Kultur- und Heimatvereins deutlich: „Wir haben einen Schatz geborgen, der erforscht werden muss. Die Wissenschaft soll animiert werden, hier noch stärker einzusteigen.“ Professor Lehnhardt möchte das in Form eines Projektes umsetzen und wird seine Pläne bei der Buchvorstellung erläutern.

Fast ein halbes Jahr lang hatten Mitglieder des Kultur- und Heimatvereins zusammen mit einigen interessierten Bürgern gebraucht, um die wertvollen Fundstücke in akribischer Kleinarbeit zu bergen. Dies war eine äußerst staubige Angelegenheit, die teilweise nur mit Mundschutz zu bewältigen war.

Dass die Zeugnisse des jüdischen Lebens in Niederzissen überhaupt bis heute erhalten blieben, ist dem Umstand zu verdanken, dass die Synagoge inmitten des dicht bebauten Ortskerns stand. Und das hielt die Nationalsozialisten in der Reichspogromnacht mit großer Wahrscheinlichkeit davon ab, das Gotteshaus in Brand zu setzen – anders als in vielen anderen Fällen, wo Synagogen ein Raub der Flammen wurden.

Rhein Zeitung  Bad Neuenahr-Ahrweiler vom Dienstag, 30. Oktober 2012, Seite 20

Die Abbildung zeigt einen Teil der Funde aus Niederzissen.