Stimmungsvoller Festakt zum 175. Geburtstag
Jubiläum Niederzissener Heimatverein und Gäste gedachten der ehemaligen Synagoge
Von unserer Mitarbeiterin Petra Ochs
Niederzissen. Mit einem sehr stimmungsvollen und anrührenden Festakt hat der Kultur- und Heimatverein Niederzissen am Sonntag dem Jubiläum „175 Jahre Synagogengebäude Niederzissen“ gedacht. Bürger, Vereinsvertreter, Gäste aus Politik, Religion und Wirtschaft, aber auch einige Nachfahren ehemaliger Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Niederzissen hatten sich eingefunden, um der Feierstunde in der Synagoge auch noch eine gemütliche Begegnung im Festzelt auf der anderen Straßenseite folgen zu lassen.
„Es war eine schwere Geburt“ – mit diesen Worten fasste Richard Keuler, Vorsitzender des Kultur- und Heimatvereins, die nicht unproblematische Entstehungsgeschichte der Begegnungs- und Erinnerungsstätte Ehemalige Synagoge Niederzissen zusammen. Er sagte weiter: „Heute haben wir uns hier versammelt, um an die Geschichte dieses Hauses zu erinnern. Aber nicht nur das: Wir sind auch hier, um zu feiern, und wir haben seit vier Jahren auch guten Grund dazu.“
Ganz ähnlich sahen dies die Ehrengäste der Veranstaltung. Wie vor ihr schon Niederzissens Ortsbürgermeister Rolf Hans spendete Staatssekretärin Heike Raab von der Mainzer Staatskanzlei viel Lob und Glückwünsche für das ehrenamtliche Engagement des Kultur- und Heimatvereins. Mit Blick auf die Begegnungs- und Erinnerungsstätte sagte sie: „Das hat sich wirklich sehr gelohnt.“ Aber die Staatssekretärin blickte auch auf das dunkle Kapitel der Synagogengeschichte zurück: Die 175 Jahre markierten eine Zeitspanne, in der die jüdische Gemeinde von Niederzissen ihre Zerstörung erfahren musste. Dies seien eine „schreiende Lücke und ein großer Verlust“, so Raab. Das Synagogen-Jubiläum wiederum begriff sie als Chance für das kulturelle Leben und gemeinschaftliche Zusammenleben in Niederzissen. „Was hier im Kleinen geschieht, das stärkt unseren Frieden in Europa“, formulierte sie
Froh darüber, dass die Synagoge zum Ort der Begegnung geworden ist, war auch Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. Er warb darum, auch weiterhin Vorurteile abzubauen und stattdessen Brücken aufzubauen, und zollte dem Kultur- und Heimatverein „Respekt für den Mut, die Restaurierung anzugehen“.
„Es ist ein Haus, das lebt“, sagte der Erste Kreisbeigeordnete Horst Gies. Und Brohltals Verbandsbürgermeister Johannes Bell ergänzte: „Es wäre falsch, nur die Mauern zu sehen – es kommt auf den Inhalt an.“ In der ehemaligen Synagoge sei eine Erinnerungsstätte mit Strahlkraft entstanden. „Es ist wichtig, dass diese Geschichte festgehalten wird“, unterstrich Bell, bevor er Richard Keuler das Wappen der Verbandsgemeinde Brohltal überreichte.
Für die Nachfahren ehemaliger Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Niederzissen, die zum Festakt aus Mexiko, Südafrika, Israel, den Niederlanden und England angereist waren, sprach Asher Friesem aus Tel Aviv sehr klar aus, welch zwiespältige Gefühle die Einladung nach Niederzissen ausgelöst hatte: Der erste Impuls sei gewesen, die Einladung abzulehnen, weil der Ort zu sehr mit dem Geist ihrer im Holocaust umgekommenen Vorfahren durchdrungen sei.
„Für uns ist diese Begegnung schmerzhaft“, sagte Friesem weiter. Gekommen waren sie trotzdem – und zwar wegen der Menschen in Niederzissen, die sich dafür einsetzten, das NS-Unrecht wieder gutzumachen. „Das Gute hat hier über das Böse gesiegt“, formulierte Friesem abschließend.
Begonnen hatte der Festakt mit einem gemeinsamen Psalmenvortrag von Rabbiner Efraim Yehoud-Desel, der den Psalm 114 auch auf Hebräisch vorsang, vom evangelischen Pfarrer Horst Küllmer und dem katholischen Pfarrer i. R. Hans-Peter Müssenich. Auf Hebräisch sangen auch die Big Bengel, der Jugendchor der Zessner Bengel: Mit ihrer Darbietung von „Ko Ha’olam Kulo“ und besonders „Shalom chaverim“ rührten sie zu Tränen. Die Musikschule im Kreis Ahrweiler bereicherte den Festakt zudem mit einem Saxofontrio.
Rhein-Zeitung Kreis Ahrweiler vom Montag, 5. September 2016, Seite 14