Renommierter Preis für Autorin aus Niederzissen
Feierstunde Ehrung für Brunhilde Stürmer und Brigitte Decker – Buch zur jüdischen Geschichte
Von unserem Mitarbeiter Hans-Willi Kempenich
Niederzissen. Brunhilde Stürmer aus Niederzissen wird für ihre Erinnerungsarbeit zur Geschichte der Juden im Brohltal mit einem der renommiertesten Preise für dieses Arbeitsfeld ausgezeichnet: dem Obermayer German Jewish History Award. Das gab Staatssekretär Salvatore Barbaro vom rheinland-pfälzischen Kultusministerium im Beisein hochrangiger Gäste anlässlich der Vorstellung eines Buches bekannt, das Brunhilde Stürmer zusammen mit Brigitte Decker geschrieben hat (die RZ berichtete).
In dem 328-seitigen Werk mit dem Titel „Ein langer Weg“ hat sie ihre fast 40-jährige Forschungsarbeit zusammengefasst und die Geschichten der Brohltaler Judenfamilien sehr tief gehend erzählt. Im Januar wird die engagierte Heimatforscherin und Autorin nach Berlin reisen, um die hohe Auszeichnung entgegenzunehmen.
Den Stellenwert des Buches unterstreicht nicht zuletzt die Anwesenheit von mehr als 20 Nachkommen Niederzissener Judenfamilien aus Mexiko, USA, Israel und den Niederlanden bei der eindrucksvollen Feierstunde in der Erinnerungs- und Gedenkstätte ehemalige Synagoge. An ihrer Spitze Harvey Berger aus San Diego, der Enkel des letzten Vorstehers der jüdischen Gemeinde Niederzissen. „Ohne Brunhilde wüssten wir nicht nur wenig darüber, was unseren Vorfahren geschehen ist, sondern wir wüssten auch wenig über noch lebende Verwandte. Sie hat nicht nur geholfen, die Geschichte der Verstummten zu bewahren, sondern auch die Nachfahren aus allen Teilen der Welt zu vereinen. Ohne Brunhilde wüsste ich nicht einmal, dass sie existieren“, sagte der Gast aus Kalifornien, der auch schon zur Einweihung des Gebäudes im Jahr 2014 nach Niederzissen gekommen war.
Durch das Programm der bewegenden Feier führte Richard Keuler, der als Vorsitzender des Kultur- und Heimatvereins und damaliger Ortsbürgermeister von Niederzissen die Sanierung der ehemaligen Synagoge maßgeblich vorangetrieben hatte. Das Erscheinen des Buches war aber erst von einem Förderverein möglich gemacht worden, der für das Projekt mehr als 30 000 Euro aufbringen musste. Dafür bedankte sich dessen Vorsitzender Norbert Wagner bei den Sponsoren. Sein Stellvertreter Reinhard Wolff zeichnete die Entstehungsgeschichte des Werkes nach, die von einer Projektgruppe aus beiden Vereinen unterstützt wurde.
Das Buch sei auch international wahrgenommen worden, sagte Staatssekretär Barbaro. Dieser Prozess werde durch die englischsprachige Version sicherlich noch verstärkt. „Denn Erinnerungsarbeit baut aufeinander auf. Und dazu haben Sie einen ganz zentralen Beitrag geleistet“, hob er die Arbeit der Autorinnen hervor. Abraham Lehrer, der Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, lobte das Buch als einen bedeutenden Beitrag zur Erinnerungskultur, gerade angesichts jüngster Entwicklungen. „Toleranz nimmt ab, Hass auf Juden ist in ganz Europa ein Problem.“ In Deutschland seien es die „haarsträubenden Äußerungen von Vertretern der neuen Partei“, denen Parlament und Öffentlichkeit entgegentreten müssten.
Von einem bewegenden Tag und einem außergewöhnlichen Buch, das zum richtigen Zeitpunkt komme, sprach Landrat Jürgen Pföhler. Der Kreis sei sich seiner Verantwortung bewusst und setze zahlreiche Mosaiksteinchen, die zusammen ein Netz gegen das Vergessen bilden. Ein Zitat von Michel Friedman stellte Brohltal-Bürgermeister Johannes Bell in den Mittelpunkt seines Grußwortes, das er auch für die anwesenden Ortsbürgermeister sprach: „Erinnerung ist keine Bedrohung, sondern die Chance, es besser zu machen.“ Wirken könne das aber nur, „wenn wir uns alle an der Arbeit für Freiheit und Demokratie beteiligen”. Zum Abschluss der Feierstunde, die von Musik des Ensembles Chi la Galliarda umrahmt wurde, verlasen die beiden Autorinnen einige Textbeispiele.
Rhein-Zeitung Kreis Ahrweiler vom Donnerstag, 16. November 2017, Seite 18
In feierlichem Rahmen wurde das Buch über die Geschichte der Juden im Brohltal vorgestellt. Mit dabei waren neben vielen weiteren Gästen Rolf Hans (von links), Johannes Bell, Abraham Lehrer, Jürgen Pföhler, Brunhilde Stürmer, Salvatore Barbaro, Brigitte Decker, Harvey Berger, Norbert Wagner und Reinhard Wolff. Foto: Hans-Willi Kempenich