Dialog, Versöhnung, Mahnung: In ehemaliger Synagoge wird wechselvolle Geschichte facettenreich beleuchtet
Von unserem Mitarbeiter Hans-Willi Kempenich
Niederzissen. Staatssekretär David Profit vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Frauen, Familie, Kultur und Integration eröffnete in Niederzissen eine besondere Ausstellung an einem besonderen Ort: Auf 16 Bild- und Schrifttafeln werden bis zum 1. November „1700 Jahre jüdisches Leben. Tradition und Identität der Juden in Rheinland-Pfalz“ beleuchtet. Und dies in der ehemaligen Synagoge, „unserem besonderen Ort für Geschichte, Aufklärung, Toleranz und Kultur“, wie Richard Keuler, der Vorsitzende des örtlichen Kultur- und Heimatvereins (KHV), sagte.
Niederzissen leiste schon lange einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur, war der Staatssekretär voll des Lobes für die Arbeit des KHV und der Ortsgemeinde. „Hier in den Mauern der ehemaligen Synagoge ist spürbar, wie jüdisches Leben in seiner reichen und wechselvollen Geschichte stattgefunden hat“, betonte er. Die Ausstellung biete im Rückblick auf die vergangenen 1700 Jahre die Chance und Verpflichtung, dies nachzuempfinden – auch die dunkelsten Seiten. „Das Ziel aller Bemühungen ist die Förderung der Dialoge zwischen den Religionen“, so Profit.
An friedliche Zeiten zwischen der christlichen und jüdischen Welt erinnerte Avadislav Avadiev, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Koblenz und des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Rheinland-Pfalz. „Um daran anzuschließen, brauchen wir Dialog und Versöhnung. Was Richard Keuler in diese Richtung leistet, ist unbezahlbar“, sagte er.
Ortsbürgermeister Rolf Hans unterstrich die Bedeutung der Ausstellung und der Arbeit des KHV: „Sie bringen uns Traditionen, Bräuche und Werte von Juden näher, um sie besser verstehen zu können. Das ist für das tägliche Miteinander wertvoll, gerade in Zeiten von wachsendem rechtsradikalen Gedankengut in unserem Land.“ Daran knüpfte auch Kreisbeigeordneter Friedhelm Münch an: „Es muss uns alle betroffen und beschämt machen, dass Antisemitismus in Deutschland bis heute ein Dauerthema geblieben ist.“ Auf der anderen Seite sei es aber auch erfreulich, dass sich in den vergangenen Jahren ein zunehmendes Interesse und auch Bewusstsein für die gemeinsame Geschichte der verschiedenen Religionen verstärke.
Aus diesem Grunde müsste jede Schulklasse der höheren Jahrgänge die Ausstellung besuchen, forderte Dieter Burgard, der Beauftragte der Landesregierung für jüdisches Leben und Antisemitismus. „Jüdisches Leben hat eine Vergangenheit und eine Gegenwart. Wir sorgen dafür, dass es auch eine Zukunft hat.“ Denn das Festjahr, das den Anlass für die Konzipierung der Ausstellung gab, sei kein Jubeljahr. „Vielmehr mahnen uns die Anschläge aus der jüngeren Vergangenheit, wachsam zu sein.“
Wie die Ausstellung entstanden ist, erläuterte Ulrich Hausmann, der als Projektleiter maßgeblich daran mitgewirkt hat. Verständlicherweise sei es kein leichtes Unterfangen gewesen, 1700 Jahre auf 16 Tafeln zu bringen, bekannte er. Eine kleine Auswahl der gewählten Themen sind etwa „Jüdische Alltagskultur im christlichen Umfeld“, „Tradition und Identität der Juden in Rheinland-Pfalz“, „Juden im Mittelalter“ und „Die Weimarer Republik“. Aber natürlich auch „Leben in der Nationalsozialistischen Diktatur“.
An der Eröffnungsfeier der Ausstellung nahmen neben der Landtagsabgeordneten Petra Schneider auch Abt Benedikt aus Maria Laach, Pater Jino Mathew (Niederzissen), Mitglieder des KHV und des Fördervereins ehemalige Synagoge sowie weitere „Freunde dieses Hauses“ teil, wie Richard Keuler sagte. Die Ausstellung ist bis zum 1. November samstags, sonntags und an Feiertagen von 14 bis 18 Uhr und nach Terminvereinbarung unter Tel. 0172/9744611 oder per E-Mail an richardkeuler@web.de auch in der Woche zu besichtigen.
Bilduntertext: Freude über die Eröffnung einer bedeutsamen Ausstellung in der ehemaligen Synagoge in Niederzissen herrschte bei Avadislav Avadiev (von links), Ulrich Hausmann, David Profit, Richard Keuler und Dieter Burgard. Foto: Kempenich
Rhein-Zeitung Kreis Ahrweiler, Donnerstag, 14. Oktober 2021, Seite 19