Wunderbare Mischung aus Klezmer und jiddischem Tango

Duo Tangoyim in der ehemaligen Synagoge Niederzissen zu Gast

Niederzissen. Auf seiner vierten musikalischen Klezmer-Reise machte das Duo Tangoyim erneut in der ehemaligen Synagoge Niederzissen Station. Diesmal führten Stefanie Hölzle und Daniel Marsch ihre Zuhörer durch Osteuropa zur versunkenen Welt des jüdischen Shtetl und weiter ins Amerika der 1920er-Jahre. Gerade in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebten das jiddische Theater und das jiddische Musical am Broadway eine Blütezeit, in der viele bekannte Lieder und Melodien entstanden.

Die begeisterten Zuhörer erlebten mit der musikalischen Zeitreise ein weiteres Glanzlicht im seit zehn Jahren bestehenden Angebot des örtlichen Kultur- und Heimatvereins. Denn Hölzle und Marsch musizierten nicht nur sehr anspruchsvoll, sondern traten dabei auch grundsympathisch und bodenständig auf.

Mit Geige, Klarinette, Akkordeon und Gesang interpretierten die beiden Künstler eindrucksvoll traditionelle Klezmer-Musik, jiddische Lieder und jiddische Tangos in einer wunderbaren Mischung mit Walzern und Liedern aus Osteuropa und aus der Neuen Welt. Mal traurig, mal heiter und oft mit einem Augenzwinkern erzählten die Lieder von der einsam leidenden schwarzen Katze, die niemand mochte und die selbst von den Artgenossen gemieden wurde, oder vom armen Schneider, der es sich mit dem Lied „Das sind die Feiertage“ nicht nehmen ließ, den Sabbat zu feiern und sich der Kinder zu erfreuen.

Eindrucksvoll schilderten die Musiker, dass eine jüdische Hochzeit bis heute ohne Klezmer-Musik unvorstellbar ist. Dabei begleiten die Klezmorims den Zeremonienmeister, wenn er der Braut ihre neue Lebenssituation schildert, um anschließend fröhlich die Hochzeit des Paares zu feiern.

Außer den Hochzeitstänzen und der Sehnsucht nach einem besseren Leben in der Neuen Welt erklang immer wieder der jiddische Tango. Er zieht sich wie ein roter Faden durch die Kompositionen, denn der aus Argentinien stammende Tango war in dieser Zeit auch in Europa äußerst beliebt. Gerade in Osteuropa bildeten sich eigene regionale Tangostile heraus. Zwischen den Liedern rundeten wehmütige Klezmer-Melodien und Tänze voll überschäumender Lebensfreude das Programm ab. Dazwischen ließ der häufige Wechsel von getragenen und atemberaubend schnellen Tänzen bei den Zuhörern keine Langeweile aufkommen.

Mit den beiden Musikstücken „Spazieren im Wald“ und „Wer die Liebe nicht kennt, kennt nicht den Schmerz“ schlugen Hölzle und Marsch den Bogen zur heutigen Situation in der Ukraine. Überlieferte Soldaten- und Partisanenlieder aus der Zeit des Ersten Weltkrieges und der Naziherrschaft erinnern an den Schmerz beim Abschied und die Hoffnung und Zuversicht, die Grauen überwinden zu können – ein Bezug auf den Widerstandswillen des ukrainischen Volkes.

Mit einem weiteren Höhepunkt des Abends, dem Lied über „Di shpanishe kholere“ (die spanische Grippe) von 1918/1919, schlugen die Künstler den Bogen zur Corona-Pandemie. Offensichtlich waren Knoblauch und Wein damals beliebte Präventionsmittel. Die Besucher gingen begeistert mit und entließen die beiden Musiker erst nach zwei Zugaben. Hans-Willi Kempenich

Bilduntertext: Stefanie Hölzle und Daniel Marsch gestalteten als Duo Tangoyim den Klezmer-Abend in der ehemaligen Synagoge mit Geige, Klarinette, Akkordeon und Gesang. Foto: Hans-Willi Kempenich

Mittwoch, 29. Juni 2022, Rhein-Zeitung Kreis Ahrweiler, Seite 23