Auf Erkenntnissuche in den Texten der heiligen Hildegard

Meditative Klanglesung – „Eine göttliche Grünkraft wohnt allem Leben inne“

Niederzissen. Eine außergewöhnliche Form, über den Glauben zu sprechen, bot die meditative Klanglesung in der ehemaligen Synagoge von Niederzissen mit Texten der heiligen Hildegard von Bingen. „Es gibt eine Kraft aus der Ewigkeit, und diese Kraft ist grün“, sagte Hildegard. Daher haben sich die Kunsttherapeutin Eva-Maria Weiss und die Klangtherapeutin Sigrid Hergarten den Namen Duo Viridis gegeben und traten in historischen grünen Gewändern auf.

Das Duo führte ein in die Welt des Mittelalters und in die Welt einer außergewöhnlichen, großen Vertreterin ihrer Zeit, der heiligen Hildegard von Bingen. Sie hinterließ 77 Lieder, ein geistliches Singspiel und einige mystische Schriften, darunter das Werk „Scivias“ (Wisse die Wege).

Während Weiss aus den Visionen der heiligen Hildegard las, untermalte Hergarten die göttlichen Schauungen der großen mittelalterlichen Frauengestalt mit ihren Klängen. In Stationen ihres Lebens brachte Eva-Maria Weiss die erst 2012 von Papst Benedikt XVI. heiliggesprochene Frau dem Publikum näher. Hildegard fiel bereits als Kind durch ihre visionäre Begabung auf. Untermalt von Klangschalen, mehreren Gongs und einem Monochord, konnten die Zuhörer an den mystischen Schauungen teilnehmen. Hildegard schaute ein himmlisches Gesicht: „Licht, immer wieder ist dieses Licht. Es lässt mir keine Ruhe. Gott ist das Licht.“ Vielleicht zu selten wird in unseren Kirchen über die Schönheit und die Geheimnisse Gottes gesprochen.

Beeindruckend auch, was die Naturkundige über die „göttliche Grünkraft“ zu sagen hatte, die jedes Geschöpf und alles Leben, Leib und Seele durchwirkt und an der auch der Mensch schöpferisch teilhat.

Wichtig in allem Tun sei das richtige Maß, so Hildegard von Bingen. Und diese Discretio gilt nicht nur fürs Essen und Trinken und die berauschenden Dinge, sondern auch im heiligen Tun, etwa beim Beten oder Fasten. „Alle Tugenden müssen sich der Discretio beugen.“

Hildegards Reden ist auf angenehme Weise ohne erhobenen Zeigefinger. Sie wollte vielmehr unsere verborgene Verbindung zu Gott offenlegen. Denn der Mensch, so Hildegard, „hat Himmel und Erde in sich“. red

Wer das Duo Viridis am historischen Ort erleben möchte, hat dazu Gelegenheit am Freitag, 7. Oktober, um 18 Uhr im Rupertsberger Gewölbe, „Am Rupertsberg“ 16, in Bingen-Bingerbrück.

Bilduntertext: Eva-Maria Weiss (links) und Sigrid Hergarten führten ihre Zuhörer in der ehemaligen Synagoge in Niederzissen ein in die mittelalterliche Welt und die Mystik Hildegard von Bingens. Foto: E. T. Müller

Mittwoch, 07. September 2022, Rhein-Zeitung Kreis Ahrweiler, Seite 23