Hering: Baustein der Erinnerungsarbeit

Präsident des rheinland-pfälzischen Landtags besuchte mit einer Delegation die ehemalige Synagoge in Niederzissen

Von Hans-Willi Kempenich

Niederzissen. Im Rahmen ihrer Gedenkstättenreise besuchte eine Delegation des Landtagsvorstands von Rheinland-Pfalz – an der Spitze Landtagspräsident Hendrik Hering und Vizepräsidentin Astrid Schmitt – die ehemalige Synagoge in Niederzissen. Das frühere jüdische Gotteshaus ist heute eine vom örtlichen Kultur- und Heimatverein (KHV) bewirtschaftete Erinnerungs- und Begegnungsstätte mit einem daran angeschlossenen Museum zur Geschichte des Judentums in Niederzissen und im Brohltal.

Die Gedenkstättenreise, die am Vormittag mit einem Besuch der ehemaligen Synagoge in Laufersweiler im Hunsrück begonnen hatte, sei ein Baustein der Erinnerungsarbeit des rheinland-pfälzischen Landtags an die NS-Zeit, sagte Hering. Diese Erinnerungskultur sei nicht nur heute immens wichtig, sondern gewinne in der Zukunft sogar noch

„Sie haben hier ein kleines Wunder vollbracht.”

Landtagspräsident Hendrik Hering

an Bedeutung, weil es bald keine Zeitzeugen mehr gebe. Und schon heute seien in Teilen der Bevölkerung frappierende Wissenslücken auszumachen, wenn es um die Geschehnisse zwischen 1933 und 1945 gehe.

Nach dem Auftakt der Gedenkstättenreisen im vergangenen Jahr in die Regionen Bad Ems, Cochem, Bruttig und Treis setzte der Landtag jetzt seinen Austausch an historischen Orten mit unterschiedlichen Experten und Projekten in Rheinland-Pfalz fort. Die Idee dahinter ist, neue Formen des Gedenkens an die Opfer der NS-Diktatur zu entwickeln, die Gedenkarbeit noch stärker zu regionalisieren und noch wahrnehmbarer zu vermitteln, dass Verfolgung, Diskriminierung und Vertreibung von Juden auch im eigenen Heimatort stattfanden. Zugleich geht es aber auch darum, auf die vielfältigen kulturellen Spuren und Schätze jüdischen Lebens in der Region aufmerksam zu machen.

„Sie haben hier ein kleines Wunder vollbracht”, sagte Hering in Richtung von Ortsbürgermeister Rolf Hans sowie Richard Keuler und dessen Mitstreiter vom KHV. Denn man brauche nicht viel Fantasie, um sich vorstellen zu können, was hier geleistet worden sei. Was der Landtagspräsident damit ansprach: Nach den Novemberpogromen im Jahr 1938 hatte das Gebäude im Ortskern von Niederzissen lange leergestanden, ehe es nach dem Zweiten Weltkrieg für einige Jahrzehnte als Schmiede genutzt wurde. Im entsprechenden Zustand kaufte die Ortsgemeinde das Haus im Jahr 2009 und brachte zusammen mit dem KHV eine vorbildhafte Sanierung auf den Weg. „Respekt und Anerkennung für das, was Sie hier geleistet haben”, lobte Hering den Verein und die Ortsgemeinde für diese gemeinsame Arbeit.

Zu Beginn des Treffens hatten Ortsbürgermeister und Hausherr Rolf Hans die Besucher aus der Landeshauptstadt begrüßt. Gekommen waren auch die Landtagsabgeordneten Susanne Müller (SPD) und Horst Gies (CDU) sowie Johannes Bell, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Brohltal. Der Ortschef stellte bei dieser Gelegenheit auch die Gemeinde Niederzissen vor. „Es ist beeindruckend, was ein relativ kleiner Ort so alles zu bieten hat”, sagte Hering. Das Fazit des Ortsbürgermeisters hörte er aus Sicht eines Landespolitikers sicherlich besonders gern: „Die Gemeinde Niederzissen ist gut aufgestellt. Sie verfügt über eine gesunde Finanzausstattung, die ihr regelmäßige Investitionen in ihre Infrastruktur möglich macht. Unsere Bürgerinnen und Bürger freuen sich über viel Lebensqualität und zusammen mit unseren Betrieben über ein gesundes Arbeitsumfeld.”

„Es ist eine große Ehre für uns, dass Sie uns mit Ihrer hochkarätigen Delegation besuchen. Es zeugt davon, wie Sie unsere Arbeit hier vor Ort, aber auch regional und landesweit schätzen”, richtete KHV-Vorsitzender Richard Keuler das Wort an den Landtagspräsidenten und seine Begleiter. Keuler plädierte für einen Ausbau des regionalen Bezugs in der Erinnerungskultur, der nicht ungenutzt bleiben dürfe. Dabei gelte es, besonders junge Menschen anzusprechen. Der KHV habe dazu mit seinem Förderverein wichtige Schritte in die Zukunft gemacht.

Einen davon präsentierte Lehrerin Anne Wagner, KHV-Mitglied und Zweite Vorsitzende des Fördervereins: Mit ihren Schülern und einer Reihe von Vereinsmitgliedern hat sie Unterrichtsmaterial entwickelt, das von Lehrern wie Schülern bei der Vorbereitung eines Besuchs in der ehemaligen Synagoge von Niederzissen nutzbar ist.

Bilduntertext: Gäste und Gastgeber beim Besuch des rheinland-pfälzischen Landtagsvorstands in der ehemaligen Synagoge in Niederzissen: (von links) Richard Keuler, Astrid Schmitt, Hendrik Hering, Susanne Müller, Horst Gies, Johannes Bell und Rolf Hans. Foto: Hans-Willi Kempenich

Samstag, 11. März 2023, Rhein-Zeitung Kreis Ahrweiler, Seite 21